Kreidezeit
Wir schnitzen uns einen oberen Schneidezahn
aus Strassenmalkreide

Abb. 1 So ein Schneidezahn hat es in sich …
„Sind die Zähne schon allein zur Erhaltung der Gesundheit wichtig, so sind sie für die Sprache, für die Aussprache und Artikulation der Worte und zur Zierde des Gesichtes absolut notwendig.“ Ihr ahnt schon anhand der besonderen Wortwahl: Dieser Satz stammt nicht unbedingt aus der Neuzeit. Um genau zu sein, kam Pierre Fauchard, ein bedeutender französischer Zahnarzt (1678-1761) zu dieser beeindruckenden Erkenntnis. Sie hat bis heute Gültigkeit.
So eine Zahnform hat es also in sich (Abb.1). Und das gilt ganz besonders bei der Rekonstruktion von Frontzähnen. Nach Reiber (1992) und in den Worten der Neuzeit, sollte eine Restauration im Frontzahnbereich folgende Funktionen erfüllen:
– mastikatorisch (man muss damit Kauen bzw. Abbeissen können)
– okklusal (gemeint ist der stabile Kontakt der Zähne zueinander)
– phonetisch (man muss damit sprechen Können
– physiognomisch (sie muss zur Gesamtbild des Patienten passen)
– ästhetisch (sie muss dem gängigen Schönheitsempfinden und dem des Patienten entsprechen)
Frontzähne sind einwurzelige Zähne, deren Krone wie ein Meißel oder eine Schaufel ausgeformt ist. Der jugendliche Schneidezahn zeigt an der Schneidekante zwei Einkerbungen – sogenannte intersegmentale Einziehungen. Zwischen den Einkerbungen erkennt man bei solche jungfräulichen Schneidezähnen auch noch ein Inzisaltuberkulum. Durch Abrasion und Attrition entsteht nach und nach eine glatte Inzisalkante mit unterschiedlich stark ausgeprägten Schlifffacetten.
Der obere mittlere Inzisivus ist der größte Frontzahn. Und den wollen wir uns heute etwas genauer anschauen (Abb. 2 bis 5). So ein Frontzahn besitzt drei charakteristische Merkmale:
- Das Bogen- oder Krümmungsmerkmal: Der Zahn weist von inzisal betrachtet, einen an der mesialen Approximalfläche größeren Krümmungsradius auf als an der distalen. Der Frontzahn wirkt mesial somit wuchtiger.
- Das Wurzelmerkmal: Von vestibulär erkennt man, dass die Wurzelachse von der Kronenachse nach distal abweicht.
- Das Winkelmerkmal: Der Winkel zwischen mesialer Approximalfläche und der Schneidekante ist spitzer ist als der distale Winkel.Generell ist zu bemerken, daß die palatinale Gestaltung oberer Frontzähne vornehmlich die Okklusion beeinflusst. Die vestibuläre Ge- staltung hat entscheidenden Einfluss auf die Ästhetik. Prof. Dr. Ulrich Lotzmann stellte bereits 1998 fest, dass die palatinale Fläche der oberen Frontzähne als mechanisches und sensorisches Führungselement für die störungsfreie Funktion des stomatognathen Systems eine grosse Bedeutung hat.
Abb. 6 Die Proportion von Breite zu Länge macht´s …
Proportionen: Das Breite-Längen Verhältnis (w/l-Ratio) ist das Verhältnis zwischen mesiodistaler Breite und inziso-zervikaler Kronenhöhe eines Zahnes. Als attraktiv gelten bei mittlerer Schneidezähnen Längen-Breiten-Verhältnisse von 75-85 %. Der hier gezeigte obere Schneidezahn (Abb. 6) besitzt eine w/l-Ratio von 0,85%.
Häufig zu beobachtende Komponenten einer Palatinalfläche (Abb. 7)
- Tuberkulum (basales Cingulum)
- Tuberkulum Ausläufer
- Randleisten
- Crista (leistenförmige Struktur)
- Inzisaltuberkulum (nur beim jugendlichen Zahn)
- Intersegmentale Einziehung (inzisal – nur beim jugendlichen Zahn)
- Intersegmentale Furche (palatinal – deutlicher beim jugendlichen Zahn)
Genug der einleitenden Worte und aller Theorie. Es folgen Taten. Wir wollen Euch heute zeigen, wie man aus einem einfachen Stück Straßen-Malkreide (Abb. 8) einen oberen Frontzahn schnitzt. Zuerst trennen wir die Spitze der Kreide vom zylindrischen Korpus (Abb. 9). Und schon kann es los gehen …
Das Vorgehen im Detail zeigt uns ein kleines Video, das uns Rudi Hrdina und Hans-Peter Taus aus Guntramsdorf bei Wien aufgezeichnet habe. Schnitt und Text kommen von Ralf Suckert. Die Autoren haben keinen professionell-filmischen Anspruch, jedoch zählt hier zweifellos die Idee und die Aussage. Viel Spass beim Anschauen und Nachmachen …